Im August durfte ich eine spannende Tagung besuchen, an der renommierte Wissenschaftler über den aktuellen Stand der Forschung betreffend dem Thema „Familiengründung“ und „Übergang zur
Elternschaft“ sprachen. Gerne versuche ich, einige Erkenntnisse für Sie zusammenzufassen:
Wenn aus einem Paar Eltern werden, ist dies ein einschneidendes Ereignis. Man nennt dies „kritisches Lebensereignis“. Dies impliziert, dass dieser Übergang bedeutsam ist. Ein Kind zu bekommen, ist für die meisten Menschen ein positives Ereignis. Man freut sich auf den kleinen Menschen und den neuen Lebensabschnitt. Den wenigsten Eltern ist bewusst, welche Stolpersteine auf sie warten. Denn die Veränderungen im Leben von Vater und Mutter sind zahlreich: Weniger Schlaf, höhere Arbeitsbelastung insgesamt (Berufs- und Familienarbeit), weniger Zeit für sich, weniger Zeit als Paar, Neuorganisation des Alltags usw.. Bei den meisten jungen Familien führt die Geburt eines Kindes auch zu einer Retraditionalisierung (Mann arbeitet voll oder hochprozentig, Frau bleibt zu Hause oder arbeitet in einem geringen Pensum). All diese Veränderungen haben positive, aber auch negative Auswirkungen:
Positive Auswirkungen:
- Kinder führen zu einer höheren Verbindlichkeit in der Beziehung von Mann und Frau (Paare bleiben eher zusammen, wenn sie gemeinsame Kinder haben)
- Kinder führen bei vielen Eltern zum Gefühl von Stolz, Freude, Glück und Liebe gegenüber dem Kind
- Kinder stärken das Selbstbewusstsein und geben einen Zugewinn an Lebensinhalt und Lebenssinn
- Kinder führen zu Anerkennung durch andere
- Eltern verspüren ein grösseres Verantwortungsbewusstsein, grössere Reife
Negative Auswirkungen:
- Bei vielen Paaren, die Eltern werden sinkt die Beziehungszufriedenheit und -qualität signifikant. Dies hält über mehrere Jahre an. Gründe sind: Weniger Zeit als Paar, Bedürfnisse der Kinder haben höhere Priorität, Abnahme der erlebten Unterstützung durch den Partner, Schlafmangel, ungünstige Rollenverteilung – dadurch mehr Konflikte und Frustrationen.
- Starke Zunahme von depressiven Symptomen (80% der Mütter betroffen) und der postpartalen Depressionen (bis zu 30% der Mütter betroffen). Auch Väter leiden vermehrt an Depressionen.
- Schlafstörungen nehmen zu
- Gefühl von Stress und Unausgeglichenheit nimmt zu. Gründe sind: Höhere Arbeitsbelastung, weniger Schlaf, weniger Zeit für sich, mehr Beziehungskonflikte
Wie Sie sich vorstellen können, haben vor allem die negativen Auswirkungen auch Folgen für das Kind. Deshalb ist es auch für die Entwicklung des Neugeborenen enorm wichtig, wie die Eltern diesen
Übergang / dieses kritische Lebensereignis meistern. Die Eltern haben vor allem in den ersten Lebensjahren einen enorm grossen Einfluss auf die Entwicklung des Kindes. Daher ist es sinnvoll, sich
als Eltern Gedanken zu machen, wie man mit all diesen Veränderungen, die das Familie-sein mit sich bringt, gut umgehen kann.
Die Wissenschaftler empfehlen aufgrund der Forschung, die Partnerschaft zu stärken. Denn zufriedene Paare mit guten Strategien zur Kommunikation, gegenseitigen Unterstützung und Konfliktlösung
können sensibler auf die Bedürfnisse des Kindes eingehen. Auch empfohlen wird, dass sich Eltern gut informieren über die Veränderungen, die auf sie zukommen und diese gemeinsam diskutieren. Wenn
man Erwartungen, Stolpersteine und Möglichkeiten als Paar bereits diskutiert hat, gibt es später weniger Konfliktpotenzial und weniger Frustrationen aufgrund von enttäuschten
Erwartungen.
Und dann noch ein Tipp von mir: Organisieren Sie genügend Entlastungsmöglichkeiten für den Alltag – vor allem für die erste Zeit nach der Geburt. Sei dies ein Grosi, das zwischendurch vorbeikommt und die Wäsche macht oder kurz zum Baby schaut, damit man in Ruhe duschen kann. Oder sei dies vorgekochtes Essen im Gefrierschrank, das man nur noch aufwärmen muss. Einkäufe und Essen kann man auch mal liefern lassen. In dieser Zeit sollte man sich nicht zu schade sein, Hilfe anzunehmen und nach Hilfe zu fragen.
Quellen:
Referate im Rahmen der Tagung der Universität Zürich, Lehrstuhl Klinische Psychologie Kinder / Jugendliche & Paare / Familien vom 23. August 2019: Familiengründung als vulnerable Phase.
Bei Fragen oder Anregungen dürfen Sie gerne per Mail auf mich zukommen.